Deutschland und Frankreich haben mit der Festlegung der industriellen Verantwortlichkeiten beim Main Ground Combat System-Projekt einen weiteren Meilenstein erreicht. Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein französischer Amtskollege Sébastien Lecornu haben eine entsprechende Erklärung unterzeichnet. Der Weg ist nun frei für Vertragsverhandlungen.
Das MGCS wird ein ab den 2040er-Jahren bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts genutztes Landkampfsystem sein, das die Kampfpanzer Leclerc und Leopard 2 ablösen soll. Das neue Waffensystem wird jedoch mehr als nur ein Kampfpanzer sein, denn innovative und digitale Technologien für die vernetzte Operationsführung sowie die Möglichkeiten unbemannter und automatisierter Verfahren werden bei der Entwicklung berücksichtigt. Das Ergebnis soll ein hochmodernes Landkampfsystem mit Spitzentechnologien sein, das sich im hochintensiven Gefecht durchsetzt. „Wir wollen mit MGCS das Landkampfsystem der Zukunft bauen“, erklärte Pistorius. Es solle ein Fähigkeitsvorsprung für die Landes- und Bündnisverteidigung erreicht werden.
Deutschland und Frankreich sind entschlossen, das MGCS-Projekt weiter voranzutreiben. Pistorius und Lecornu haben mit der Unterzeichnung der Absichtserklärung im Verteidigungsministerium in Paris den Willen bekräftigt, dass beide Länder gemeinsam das Landkampfsystem der Zukunft entwickeln werden. Mit dem Memorandum of Understanding wurde die Verteilung der industriellen Verantwortlichkeiten zwischen Frankreich und Deutschland festgelegt. Vereinbart wurde, dass sich beide Länder als gleichberechtigte Partner an der Rüstungskooperation mit jeweils 50 Prozent an den Kosten beteiligen und die jeweilige nationale Industrie mit entsprechenden Arbeitsanteilen berücksichtigt wird. „Wir folgen bei der Verteilung der Aufgaben des Projekts MGCS spiegelbildlich der Struktur von FCAS (Future Combat Air System)“, sagte Minister Pistorius beim gemeinsamen Statement. Bei FCAS übernehme Frankreich die Führungsrolle und beim MGCS werde Deutschland die Führungsrolle übernehmen.
„Die Verträge sollen fertig sein bis Ende des Jahres“, sagte Pistorius. Im nächsten Jahr sei die Zeichnung der Verträge geplant. Bis dahin werden Angebote sowie Leistungsbeschreibungen erstellt. Außerdem steht noch die Gründung einer Projektgesellschaft an, die aus den Firmen KNDS Deutschland, KNDS France, Rheinmetall Landsysteme und Thales SIX bestehen soll. Sie deckt unter gemeinsamer deutsch-französischer Führung die vier Plattformanteile des Gesamtsystems MGCS – also die Kanonenplattform, die Flugkörperplattform, die Kampfunterstützungsplattform und das Einsatzsystem – ab.
Unterhalb der Projektgesellschaft ist das MGCS-Programm in acht sogenannte Pillar unterteilt:
- Pillar 1 – MGCS-Plattform mit Fahrgestell und automatisierter Navigation unter deutscher Führung
- Pillar 2 – Kanone, Turm und Munition unter deutsch-französischer Führung. In einem ersten Schritt sollen jeweils national unterschiedliche Kanonensysteme entwickelt und nach einer Vergleichserprobung ein System ausgewählt werden.
- Pillar 3 – Sekundärbewaffnung mit zum Beispiel Lenkflugkörpern unter französischer Führung
- Pillar 4 – Kommunikations-, Führungs- und Einsatzsystem als „digitales Nervensystem“ unter deutsch-französischer Führung
- Pillar 5 – Simulationsumgebung unter deutsch-französischer Führung
- Pillar 6 – Sensorik unter französischer Führung
- Pillar 7 – Schutz und Drohnenabwehr unter deutscher Führung
- Pillar 8 – Unterstützung, Logistik und Infrastruktur unter deutsch-französischer Führung
Vor der Vertragsunterzeichnung muss noch der Haushaltsausschuss des Bundestags dem Rüstungsvorhaben zustimmen. „Dieses Projekt lebt von der Unterstützung der Parlamentarier“, so Minister Pistorius. Bis zur Realisierung sei es zwar noch ein weiter Weg, aber nun sei ein wichtiger Meilenstein erreicht worden, dem viele Monate Verhandlungen vorausgegangen seien. Die Minister dankten dafür den Teams beider Länder auf der Arbeitsebene.
Die Einigung zeige das ausgeprägte gegenseitige Vertrauen zwischen Deutschland und Frankreich, auf das es in diesen Zeiten noch mehr ankomme als in den vergangenen Jahrzehnten. Mit einer möglichen Öffnung des Kooperationsprojekts im Verlauf des Rüstungsprogramms für weitere Mitgliedstaaten der NATO, der EU und weitere potenzielle Partnernationen wird zudem eine Stärkung des europäischen Pfeilers in der NATO erwartet und die europäische Rüstungskooperation insgesamt gefördert. Pistorius unterstrich die Bedeutung eines europäischen Verständnisses von Rüstungsindustrie, wie es kürzlich auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron herausstellte. „Daran müssen wir arbeiten“, betonte der Minister.
Eine starke nationale und europäische Rüstungsindustrie ist für die zukunftsfähige Bundeswehr ein wesentlicher Faktor. Es gilt, die sicherheits- und verteidigungsindustrielle Basis in Deutschland und Europa in Bezug auf Resilienz und Redundanz deutlich zu stärken.
- Verteidigungspolitische Richtlinien -
Auch das weitere Vorgehen beim deutsch-französischen Kampfjet-Projekt FCAS (Future Combat Air System) haben die beiden Verteidigungsminister in Paris erörtert. Mit FCAS wird das Luftkampfsystem der Zukunft entwickelt, das ab 2040 die Kampfflugzeuge Eurofighter und Rafale ablösen soll. Dabei werden bemannte und unbemannte Komponenten integriert, um künftig Luftoperationen durchführen zu können. Künstliche Intelligenz und cloudbasierte Lösungen werden bei der Entwicklung eine große Rolle spielen. Derzeit befindet sich das Projekt in der Phase der Technologiereifmachung und -demonstration. Auch Spanien ist dem gemeinsamen Rüstungsprogramm beigetreten.
Engagement zur Stärkung der ukrainischen Verteidigung
Bei ihrem Treffen haben Pistorius und Lecornu auch die gemeinsame Unterstützung der Ukraine beraten. Deutschland und Frankreich engagieren sich vor allem bei der Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung. Beide Länder haben eine Führungsrolle in der Capability Coalition Integrated Air and Missile Defence (CapCo IAMDCapability Coalition Integrated Air and Missile Defence) übernommen. In dieser multinationalen Fähigkeitskoalition koordinieren die unterstützenden Länder ihre Hilfe beim Aufbau einer wirksamen Luftverteidigung für das von Russland angegriffene Land.
In der Fähigkeitskoalition für gepanzerte Fahrzeuge haben Deutschland und Frankreich ebenfalls Verantwortung übernommen. Unter polnischer Führung wird dabei die Ausstattung der ukrainischen Streitkräfte mit Kampfpanzern und weiteren geschützten Fahrzeugen koordiniert. Die Zusammenarbeit mit Polen stand ebenfalls auf der Agenda des Arbeitstreffens. Deutschland, Frankreich und Polen beraten im Format des Weimarer Dreiecks die Kooperation in sicherheits- und außenpolitischen Fragen. Angesichts der Herausforderungen der Zeitenwende wird dieses Format derzeit wieder mit Leben gefüllt.
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