Europa steckt in einer Identitätskrise. Hinter dem aktuellen Krisenmanagement verblassen die Grundideen der europäischen Einigung, das politische Führungspersonal lässt sich von nationalen Egoismen leiten, statt klare Orientierung zu bieten und die Bürger begegnen der europäischen Integration mit zunehmendem Unverständnis. Aber noch kann Europa seinen Abstieg abwenden. Dafür muss es die Krise als Chance zur Neudefinition Europas als europäisches Zukunftsprojekt nutzen und seine Prioritäten neu formulieren. Denn eines ist unstrittig: kein Mitgliedsland der EU kann im nationalen Alleingang den Weg aus der Krise schaffen.
Mit der Einigung auf den Fiskalpakt hat Europa bereits einen wichtigen Schritt getan. Um zurück auf Wachstumskurs zu kommen, gilt es den Binnenmarkt auszubauen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Koordination der nationalen Finanz- und Wirtschaftspolitiken zu stärken. Frankreich sollte seinen Sitz im UN-Sicherheitsrat mit Deutschland teilen, um der Stimme Europas in der Welt besser Gehör zu verschaffen. Die demokratische Legitimität der EU muss erhöht werden, indem bei Europawahlen grenzüberschreitende Wahlkreise gebildet werden und indem Europa insgesamt besser kommuniziert wird. Schließlich eröffnet ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten Chancen institutionelle Blockaden zu überwinden und der europäischen Integration neue Dynamik zu verleihen.
Autor: Jean-Paul Tran Thiet
Herausgeber: Stiftung Genshagen & Institut Montaigne
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